64 Wochen Schub: Entwicklung im 9. Wachstumsschub
Mit ca. 14 Monaten steht er bevor: Der vorletzte Wachstumsschub deines Babys. Weil er rund um die 64. Lebenswoche seinen Höhepunkt erreicht, wird er auch 64 Wochen Schub genannt. Je nach Kind kann er zwischen 5 und 9 Wochen dauern, der genaue Zeitraum ist individuell. Im Fokus stehen die sogenannten Prinzipien.
Während dein kleines Wunder beim letzten Wachstumsschub Programme kennengelernt hat, geht seine Entwicklung jetzt noch einen Schritt weiter. Es versteht, dass man Programme auch in einer unterschiedlichen Reihenfolge ausführen kann und dennoch zum selben Ergebnis kommt: Anstelle von einer festen Abfolge von Tätigkeiten, also einem Programm, variiert es die Abfolge und probiert unterschiedliche Möglichkeiten aus. Nach diesem kognitiven „Update“ kann dein Kleinkind nachdenken, vorausschauend handeln und Konsequenzen abwägen. Aber Achtung: Natürlich nur innerhalb eines begrenzten Rahmens, schließlich ist es immer noch sehr klein.
Inhaltsverzeichnis
64 Wochen Schub: Strategisches Handeln beginnt
Dein Kind möchte etwas erreichen, macht sich einen Plan wie es an sein Ziel kommt und geht davon aus, dass dieser Plan funktioniert. Es geht also strategisch vor. Problematisch wird es, wenn der Plan nicht funktioniert: Weil einem Kleinkind eben die Erfahrung und oft auch die nötigen Fähigkeiten fehlen, damit der Plan auch das gewünschte Ergebnis bringt, führt das schnell zu Frustration. Das heißt, lautstarke Wutanfälle und Gefühlsausbrüche sind im 9. Wachstumsschub und danach ganz normal. Dein Kleinkind wird immer eigenständiger, aber Frustrationstoleranz und Resilienz muss es erst noch lernen. Die Fähigkeit zu erlernen, Fehlschläge in diesem Prozess zu verarbeiten, dauert deutlich länger als der Wachstumsschub selber und erfordert viel Einfühlungsvermögen und Geduld.
Typisches Verhalten im 64 Wochen Schub
Dein Kind beginnt, strategisch zu handeln und muss plötzlich viele Entscheidungen treffen. Das ist anstrengend und überfordernd. Deshalb ist es ganz normal, dass dein kleiner Schatz quengelig und anhänglich ist. Im Idealfall gibst du ihm die Nähe und Zuneigung, die er braucht. Wie du es bereits aus den vergangenen Wachstumsschüben kennst, kann sich auch das Schlaf- oder Essverhalten im Schub ändern. Auch Stimmungsschwankungen sind ganz normal: Es prasseln viele neue Eindrücke auf deinen kleinen Liebling ein, und von einer Sekunde auf die andere wird es einfach zu viel. Um diese Veränderungen und den damit einhergehenden Stress zu verarbeiten, braucht er deine Unterstützung und Geduld.
Verbote und Grenzen setzen im 64 Wochen Schub
Kleinkinder im Alter von 14 bis 15 Monaten verstehen grundsätzlich, was das Wort „Nein“ bedeutet. Gleichzeitig versuchen sie, eigene Prinzipien zu etablieren und durch Variation in der Abfolge von Tätigkeiten auszutesten, wie sie an ihr Ziel kommen können. Das heißt: Grenzen werden neu verhandelt und Verbote führen schnell zu Frustration und Tränen. Dass das Wort „Nein“ große Gefühle auslöst, lässt sich gut nachvollziehen, wenn man sich bewusst macht: Das Kleinkind hat sich mühevoll gedanklich etwas zurechtgelegt und ist stolz darauf, einen eigenen Plan entwickelt zu haben, der dann durch ein simples Wort zunichte gemacht wird. Deshalb sind hier Fingerspitzengefühl und Geduld seitens der Eltern gefragt.
64 Wochen Schub: Nein heißt Nein
Vielleicht lässt sich manches „Nein“ aus Bequemlichkeit, zum Beispiel weil man hinterher etwas aufräumen müsste oder die Tätigkeit dadurch länger dauert, auch mal sparen? Am besten schaffen Eltern Zuhause ein Ja-Umgebung für das Kind, indem sie die Wohnung kindersicher machen. Geht es um die Sicherheit oder Gesundheit des Kindes oder anderer Familienmitglieder, ist das „Nein“ natürlich nicht verhandelbar. Manchmal ist es auch aus Zeitgründen oder Rücksichtnahme auf andere unvermeidbar, einzuschreiten. Euer kleiner Schatz wird durch das dosierte Einsetzen von Verboten und Regeln aber schnell verstehen, dass ihr ein „Nein“ nicht inflationär nutzt und dadurch besser mit einem Verbot umgehen können. Wichtig ist, dass Bezugspersonen den durch das Verbot ausgelösten Gefühlssturm begleiten. Das heißt zum Beispiel: Emotionen in Worte fassen, Strategien zur Bewältigung aufzeigen, Beweggründe für das „Nein“ erklären und vor allem: Da sein und den Gefühlssturm gemeinsam aushalten, bis er irgendwann von alleine wieder vorübergeht.
Sprachliche Entwicklung im 64 Wochen Schub
Manche Kinder entwickeln sich sprachlich enorm im 9. Wachstumsschub. Gefühlt verstehen sie von heute auf morgen alles: Die Aufforderung der Eltern, etwas Bestimmtes herzubringen oder eine gezielte Bewegung zu machen, führt genau zum gewollten Ergebnis. Einige Kinder beginnen damit, Wörter nachzusprechen, die sie hören. Das gemeinsame Lesen und Anschauen von Bilderbüchern, bei denen die abgebildeten Gegenstände oder Tätigkeiten von den Eltern benannt werden, sind in dieser Phase besonders wertvoll. Auch „Unterhaltungen“ mit deinem Kind, zum Beispiel eine Beschreibung der Umgebung bei einem Spaziergang oder der Tätigkeiten beim Kochen, gefallen ihm. So förderst du die Sprachfähigkeiten und den Wortschatz deines kleinen Lieblings enorm.
Motorische Entwicklung im 64 Wochen Schub
Andere Kinder konzentrieren sich im 64 Wochen Schub vor allem auf ihre motorischen Fähigkeiten und trainieren zum Beispiel das freie Stehen, Aufstehen oder freies Laufen. Oft gehen körperliches und mentales Wachstum im Wachstumsschub miteinander einher, allerdings kann ein Kind nicht alles gleichzeitig weiterentwickeln. Es ist also normal, wenn dein kleiner Schatz entweder sprachlich, sozial oder motorisch einen Sprung macht. Je nach Charakter, individuellen Interessen und persönlichen Neigungen entscheiden Kinder selbst, welche Fähigkeiten sie wann trainieren und weiterentwickeln möchten. Wenn Eltern darauf achten, lernen sie viel über den Charakter ihres Lieblings und können ihn entsprechend seiner Neigungen und Talente fördern.
Fördermöglichkeiten im 64 Wochen Schub
Alltägliche Vorgänge und Bewegungsmuster werden immer sicherer und dein kleiner Schatz trainiert fleißig seine Körperbeherrschung. Kleinere Tätigkeiten in der Küche, wie das Eingießen von Wasser aus einem kleinen Krug oder das Schneiden von Banane mit einem Kindermesser, gelingen immer besser. Auch Brei essen mit dem Löffel kann dein Kind nun schon richtig gut, wenn auch nicht ganz klecksfrei. Gib deinem Schatz die Möglichkeit, sich auszuprobieren und du wirst überrascht sein, was er schon alles alleine kann. Bestimmt versucht dein Kind auch fleißig, zu klettern oder zu balancieren, wenn ihr gemeinsam auf dem Spielplatz seid oder spazieren geht. Eine tolle Fördermöglichkeit in diesem Alter sind Montessori-inspirierte Spiele, die Alltagssituationen nachstellen: Zum Beispiel das Umfüllen von Linsen aus einem Glas in eine Schüssel mit einem Löffel oder einer Schöpfkelle. Sicher findet dein Kind jetzt auch großen Gefallen daran, im Sandkasten zu spielen und mit Sand oder Erde zu matschen.
Im 64 Wochen Schub werden Späße gemacht und der Wille durchgesetzt
Zum ersten Mal kann dein kleiner Schatz Aktionen, die er gelernt hat, in veränderter Form ausführen. Mit dieser neuen Fähigkeit experimentiert er fleißig: Handlungen werden endlos variiert und seine Folgen beobachtet. Für Eltern ist es eine große Freude, ihr Kind dabei zu beobachten, wie es die Welt kennenlernt: Es macht lustige Dinge, wird immer geschickter im Umgang mit Gegenständen, lernt sprechen, imitiert andere Personen und spielt typische Alltagssituationen nach. Vielleicht findet dein kleiner Schatz auch Gefallen daran, kleine Vorführungen wie Tanzen, Singen oder Theater spielen zu geben. Es kennt inzwischen den Unterschied zwischen „mein“ und „dein“ und reagiert empfindlich, wenn ein anderes Kind seine Lieblingsspielsachen nimmt.
Mit Gefühlen im 64 Wochen Schub experimentieren
Auch aggressives Verhalten ist jetzt ganz normal: Es gehört zum Lernprozess dazu, verschiedene Gefühle und Verhaltensmuster sowie seine Wirkung auszutesten. Erwachsene haben jahrelange Erfahrung auf dem Gebiet der Prinzipien: Sie wissen, wie sie ein Ziel erreichen können und welche Wege gesellschaftlich anerkannt sind. Erwachsene wissen auch, wie sie mit ihrem Verhalten anderen gegenüber erreichen können, was sie wollen und dass verbale oder körperliche Gewalt falsch sind. Kleine Kinder müssen das erst noch lernen, deshalb experimentieren sie fleißig.
Hinter aggressivem Verhalten steckt demnach keine böse Absicht, sondern lediglich der experimentelle Ansatz, ob man sein Ziel so erreichen kann. Es ist also ganz normal und altersgerecht, wenn Kleinkinder kratzen, beißen oder hauen. Genauso gut kann es aber auch sein, dass Kleinkinder dies nicht tun. Meist können Kinder, die sprachlich weit entwickelt sind oder mittels Gebärden kommunizieren, ihre Bedürfnisse und Gefühle schon jetzt gut ausdrücken und haben dadurch bereits einen gesellschaftskonformen Weg kennengelernt, ihre Bedürfnisse zu kommunizieren und so ihr gewünschtes Ziel zu erreichen.
64 Wochen Schub: Aufmerksamkeit triggern
Natürlich sollten Eltern ihrem Kleinkind klar machen, dass Gewalt oder aggressives Verhalten von Ihnen unerwünscht sind und nicht zum geplanten Ergebnis führen. Sie sollten aber darauf achten, die Gefühle in dieser Situation zu begleiten und das Kind nicht zu überfordern. Bezugspersonen sollten immer im Hinterkopf behalten, dass hinter solchem Verhalten keine böse Absicht steckt. Schimpfen und lange Erklärungen sind in solchen Situationen deshalb kontraproduktiv und wirken sich im schlimmsten Fall negativ auf die Bindung aus. Besser ist eine unaufgeregte Reaktion seitens der Erwachsenen. Denn wenn Eltern emotional reagieren, versteht das Kind, dass es durch sein Verhalten die Aufmerksamkeit bekommt, die es haben möchte – auch, wenn sie negativ ist. Stattdessen sollten Eltern oder Bezugspersonen dem Kind das Gefühl geben, dass es mit seinen Wünschen und Bedürfnissen gesehen wird. Indem diese verbalisiert und alternative Strategien aufgezeigt werden, lernt das Kind, seine Gefühle zu verstehen und auszudrücken.
64 Wochen Schub: Wie gehe ich mit aggressivem Verhalten um?
Umso kleiner das Kind, umso weniger Worte sollten Eltern benutzen, um die Situation aufzulösen. Im Akutfall reichen zunächst ein prägnantes „Nein“ und das Dazwischengehen eines Erwachsenen. Im Anschluss sollten Eltern die Situation und das Bedürfnis aller Beteiligten beschreiben. Zum Beispiel: „Ich sehe, du bist wütend. Stampfe mal fest mit dem Fuß auf den Boden, das hilft.“ Dadurch versteht das Kind nach und nach seine Gefühle immer besser, kann sie benennen und lernt konstruktive Wege, damit umzugehen. Wenn das Kleinkind alternative Strategien kennenlernt, seine Bedürfnisse auszudrücken und sich darum zu kümmern, werden das Beißen oder anderes aggressives Verhalten obsolet.
64 Wochen Schub: Eltern in der Vorbildrolle
Am meisten lernen Kleinkinder durch imitieren und nachahmen. Bestimmt stellst du immer wieder fest, dass dich manche Verhaltensmuster oder Gesichtsausdrücke an andere Familienmitglieder erinnern. Vielleicht sogar dich selbst? Der Spruch „Erziehung ist zu 90 Prozent Vorbild“ kommt nicht von ungefähr, denn du kannst deinem Kind noch so oft etwas sagen: Es wird das machen, was du tust, nicht was du sagst. Möglicherweise triggert es dich deshalb ganz besonders, wenn dein Kleinkind bestimmte Verhaltensmuster an den Tag legt: Den Spiegel vorgehalten zu bekommen, kann ganz schön frustrierend und unangenehm sein. Diese Gefühle sind ganz normal, denn es ist anstrengend ein Kleinkind beim Wachsen zu begleiten. Dazu kommen Schlafmangel, fehlende Me-Time oder zu viel Mental Load. Sei milde mit dir selber und gönne dir immer wieder eine Auszeit, um deine Akkus aufzuladen und dein Kind gut durch den Wachstumsschub begleiten zu können.